01.02.2013:
Jetzt bin ich konfessionsfrei!
Kirchenaustritt
? - ein Schritt, für mich vor Jahren noch undenkbar. Das konsequente,
schmerzliche Ende eines Prozesses, der mit der Aufgabe von kirchlichen
„Ehren„ - Ämtern seine Verstärkung erfuhr. Außerhalb des engsten Zirkels
sieht man einiges anders. Man sieht mal und endlich durch die Brille der
Katholikenmehrheit. Ich betone, dass mir ursächlich kein Ärgernis in unserer
römisch-katholischen Pfarreien-Gemeinschaft diesen "Flucht-Impuls" gab. Auch der zum
"Fremdschämen" veranlassende Missbrauch-Skandal war für mich nur einer von vielen
Tropfen, die mein Fass zum Überlaufen brachten.
Unsere
kirchliche Befindlichkeit vermittelten meine Frau (sie verließ die Kirche
2019) und ich erstmals im
Mai 2011 in einem Brief an unseren Pfarrer. Hierin konnte er u.a. lesen: - Wie oft fragen wir uns, was
würde Jesus wohl sagen zu dieser Kirche oder zu dem was über Jahrhunderte
zahlreiche macht- und geldgierige, bornierte, intolerante, rücksichtlose,
eitle und doppelmoralistische „Gottesdiener“(?) aus ihr gemacht haben. Wollte
er uns wirklich in diese Form von Kirche berufen? Oder will er vielleicht,
dass wir „von ihr weichen“ um ihm wieder näher kommen zu können?
-
Zu meiner
Person: Ich schaue auf 58 Lebensjahre zurück, davon auf rund 50 Jahre als
gläubiger und aktiver Katholik. Gemäßigt streng-religiöses Elternhaus,
kontinuierliche Beschäftigung mit der Bibel, theologische Diskussionen.
Messdiener, Chormitglied, Lektor, Kommunionhelfer, Katechet,
Pfarrgemeinderat, Öffentlichkeitsarbeit, Ökumene (ACK).
Mit
meiner Frau und zahlreichen anderen aufgeschlossenen katholischen Christen
trat ich 1995 im Rahmen des bundesweiten Kirchenvolks-Begehrens in unserer
Stadt öffentlich für eine Erneuerung in der römisch-katholischen Kirche ein.
Die Erfüllung der Hauptforderungen dieser Initiative
·
Aufbau einer geschwisterlichen Kirche
·
Volle Gleichberechtigung von Frauen in kirchlichen Ämtern
·
Freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform
·
Positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott
·
bejahten Menschen
·
Frohbotschaft statt Drohbotschaft
lässt
bis heute auf sich warten. Daneben
gibt es für mich eine Vielzahl von „Steinen des Anstoßes“, eine Menge
Ärgernis im täglichen Erleben des kirchlichen Apparats und dessen
Öffentlichkeitswirkung. Wenn dies die Kirche Jesu ist, wird mir dieser Mann
aus Nazareth suspekt.
Vielleicht
war es die altersbedingte
Reife, die mich bewog, mich in den letzten Monaten intensiver mit der
Geschichte meiner Kirche, der historisch-kritischen Betrachtung der
überlieferten Schriften und letztlich meinem Glauben auseinander zu setzen.
Das Fazit ist für mich erschreckend. Ich stelle es nachfolgend komprimiert
dar.
Ausgelöst
wurde meine monothematische Lese-Gier (s.
Buchempfehlungen) durch eine Fehlbedienung (?) beim eBook-Download
auf meinen Kindle: Statt des gewünschten Küng-Buches „Jesus“ fand sich auf
dem eBook-Reader unerwartet „Jesus?
Tatsachen und Erfindungen“ von Harald Specht. Ich hätte den Kauf stornieren
können, entschied mich jedoch für die Lektüre des bibelkritischen Buches. Den
darin getroffenen Feststellungen bin ich in der Folge dann in zahlreichen weiteren Publikationen
nachgegangen.
Betroffen habe ich so beispielsweise erfahren, dass viele
Theologiestudenten ihr Studium abbrechen, weil sie erkennen müssen, dass
weniger als 10% der Worte Jesu wirkliche Überlieferung sind. Ich weiß von
einer Umfrage unter Priestern, von denen schon 1996 (!) nur noch etwa zwei
Drittel Jesus das Gottesprädikat zuwiesen. In mehreren Quellen erfuhr ich in
neuer Dimension, dass die Evangelien zum großen Teil Phantasien der
Evangelisten waren, um damit ihre Gemeinden noch stärker zu beeinflussen.
Der
Ursprung, die Entwicklung von Macht und Einfluss unserer Kirche sowie die
Strategie des Angstmachens und Verurteilens dieser Institution sehe ich nun
deutlicher. Die Kirchen in Deutschland, auch die evangelische (die ja, laut
Papst, keine ist), konnten ihre Stellung bis auf den heutigen Tag durch die
Leichtgläubigkeit, Obrigen-Hörigkeit und
Traditionstreue ihrer Schäfchen sowie durch die für beide Seiten nicht
uneigennützige Kooperation mit dem Staat (s. z.B. „Konstantinische Wende“ oder „Reichskonkordat“) sichern. Im
Kommunikations-Zeitalter und vor dem Hintergrund neuzeitlicher Bibelforschung
wird sich dies jedoch für die Zukunft schwieriger gestalten. Über für
mich überraschende Hintergründe zum Thema Kirchen-Finanzen, über das Alleinstellungsmerkal des kirchlichen Arbeitsrechts sowie
über gängige innerkirchliche doppelmoralische Absprachen und Regelungen sowie
das alles andere als vorbildhafte Miteinander im
Vatikan möchte ich mich an dieser Stelle nicht auslassen.
Meine neue Kenntnis von Parallelen zwischen christlichen Lehren und
Riten und dem römischen
Mithraskult tragen darüber
hinaus zu meiner, harmlos ausgedrückt, Glaubens-Irritation bei.
Mir kommt es
letztlich so vor, als ob uns Pfarrer und andere Theologen (mit Lehrbefugnis) auf
der Basis verpflichtender Dogmen „die Erde als Scheibe“ verkünden, obwohl sie
genau wissen, dass sie eine Kugel ist. Hier und da gibt es sicherlich
durchaus aufgeschlossene Kirchenvertreter, die schon mal scheibchenweise die
Wahrheit durchschimmern lassen. Doch, so sagen manche, die meisten ihrer „Schäfchen“ wollen
diese nicht hören. Im Nachbarland Niederlande gab es sogar einen
Pfarrer, der mit
Billigung seiner Kirche von der Kanzel verkündete, es gebe keinen Gott! Bei uns scheint hingegen für
Seelsorger noch sinngemäß der Auftrag ihres Arbeitgebers zu gelten: „Was ihr
glaubt, ist uns egal aber verkündet gefälligst das, für das wir euch
bezahlen!“
Die immer weniger werdenden
katholischen Gottesdienstbesucher (und bis vor kurzem noch ich) glauben zum großen Teil
längst nicht mehr alles, was sie fast regelmäßig im antiken Apostolischen Glaubensbekenntnis beteuern oder in
schwülstigen Kirchenliedern lautstark tönen.
Was
ist das???
Von
all den neuen Denkanstößen aufgewühlt, googelte ich nach „Glaubenszweifel“, weil ich
diese deutlich bei mir wahrnahm. So stieß ich auf diesen Gedanken Leo
Tolstois:
Wenn dir der Gedanke kommt,
dass alles, was du über Gott gedacht hast,
verkehrt ist und dass es keinen Gott gibt,
so gerate darüber nicht in Bestürzung.
Es geht allen so.
Glaube aber nicht,
dass dein Unglaube daher rührt,
dass es keinen Gott gibt.
Wenn du nicht mehr an Gott glaubst,
an den du früher glaubtest,
so rührt das daher,
dass in deinem Glauben etwas verkehrt war,
und du musst dich bemühen,
besser zu begreifen,
was du Gott nennst.
Wenn ein
Wilder an seinen hölzernen Gott
zu glauben aufhört,
so heißt das nicht,
dass es keinen Gott gibt,
sondern nur, dass er nicht aus Holz ist."
Für mich stellte sich auf einmal die Frage: Kann und will ich mit
meiner neuen Sichtweise der Dinge überhaupt noch in der Kirche bleiben? Via
Mail reichte ich meine Anfrage zusammen mit meinem dogmen-bereinigten persönlichen Credo an die Bistumsleitung weiter.
Eine Antwort darauf blieb aus.
Mein
Glaubensbekenntnis
Ich glaube an
Gott, der die Liebe ist und
für das Universum Anfang und Ende.
Jesus von Nazareth,
der jüdische Wanderprediger und
Heiler,
bzw. die Menschen, die von ihm erzählten,
gaben mir für meine Gottesbeziehung
entscheidende Impulse.
Auf Grund seiner radikalen
religiösen Sichtweisen musste Jesus
den Tod am Kreuz erleiden.
Ich glaube, dass die Entstehung
einer neuen Religion sowie die
spätere Verfälschung seiner Worte
und Lebensgeschichte nicht
in seinem Sinne geschah.
Ich bete das
überlieferte
„Vater-unser“, das inhaltlich
auch Juden, vielleicht gar Muslime
mit mir sprechen könnten.
Ich glaube an die Anwesenheit
des göttlichen Geistes,
der uns in unserem Leben begleitet.
Ich glaube, dass unser Leben über den
Tod hinaus einen Sinn hat. Amen.
Ich
gestehe, es irritiert mich, dass sich die früher sporadisch in mir
aufgekommenen und verdrängten Glaubenszweifel sowie eine latente
Kirchenverdrossenheit erst jetzt, sechs Jahrzehnte nach meiner unfreiwilligen
Taufe, zu einem deutlichen Schnitt in meiner Biographie entwickelt haben.
Zitat aus einem Vortrag von Prof. Gerd Lüdemann
Mit
meinem Austritt habe ich ein Stück Freiheit gewonnen: Freiheit im Glauben, im
Verhältnis zu Gott,- ohne Geschnörkel, Gebote und Verbote, ohne
Selbstbeweihräucherung und Scheinheiligkeit des Klerus, vor allem in der
ersten und zweiten Hierarchiestufe. Meine christliche Prägung werde ich nicht
verleugnen. Orte und Gelegenheiten, in der Stille und der Gemeinschaft Gott
zu begegnen, gibt es genug.
„Die Liebe zum
Nächsten und zu sich selbst,
ist die Lösung
aller Probleme in dieser Welt.
Somit ist sie das
Elementarste im Universum.
Wenn es Gott gibt,
muss es die Liebe sein.“
Michael Krupp
christlich
geprägter Monotheist,
der weiterhin die Entwicklung in seinem ehemaligen religiösen „Nest“ verfolgt
und sozusagen als
„außerkirchliche Opposition“ öffentlich kommentiert.
Michael Krupp | Erstelle dein Profilbanner
P.S. Ich danke unserem Pfarrer und Freund Lutz
für unser gutes Gespräch.
Bücher und Informationen, die mich in den letzten Monaten weiterführten …
„Was ich glaube“
, „Ist die Kirche noch zu retten“
„Jesus“
(Dr. Hans Küng)
„Der Fall Jesus. Ein Journalist auf der Suche nach der Wahrheit“
(Lee Strobel)
„Jesus? Tatsachen und Erfindungen“
(Harald Specht)
„Jesus von Nazareth: Und die Anfänge
des Christentums“
(Großbongardt /
Pieper SPIEGEL)
„Der Jesuswahn: Wie
Christen sich ihren Gott erschufen“
(Dr. Hans-Werner Kubitza)
„Die Bibel. Eine
Biographie“
(Martin Urban)
„Der liebe Gott ist auch schon ausgetreten: Argumente für alle, die lebendig
glauben wollen “
(Jochen Jülicher)
„Update für den Glauben: Denken und leben können, was man glaubt.“
(Klaus-Peter Jörns)
„Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt.“
(Eva Müller)
„Warum glaubst Du noch? Lehren der christlichen Kirchen unter dem
Gesichtspunkt der Logik“
(Uwe Hillebrand)
„Schafft sich die katholische Kirche ab? Analysen und Fakten eines
Unternehmensberaters“
(Thomas von Mitschke-Collande)
„Abgekanzelt – Protokoll einer Inquisition“
(Georg Schwikart)
Seine Scheinheiligkeit : Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst
Benedikt XVI
(Gianluigi Nuzzi)
Gottes
Spuren in jedem Leben – Unterwegs zu einem befreienden Glauben
(Hans. W. Schünemann)
Heilige Scheisse – Wären wir ohne Religion wirklich
besser dran?
(Stefan Bonner / Anne Weiss)
Die Un-Heilige Schrift
(Helmuth Santler)
Der gefälschte
Paulus - Das Urchristentum im Zwielicht
(Hermann Detering)
Nein und Amen
(Uta Ranke-Heinemann)
Irrtum unser! Oder
Wie der Glaube verstockt macht
(Peter Henkel)
Das 11. Gebot: Du
sollst nicht darüber sprechen
(Daniel Bühling)
Problemfall Religion: Ein Kompendium der Religions- und Kirchenritik
(Dr. Gerhard Czermak)
Das Kirchenhasser-Brevier: Ein
verlorener Sohn rechnet ab
(Ulli Schauen)
Glaubensverlust. Warum
sich das Christentum neu erfinden muss
(Hubertus Halfas)
Der echte Jesus: Seine
historischen Taten und Worte (Gerd Lüdemann)
Mein siebenfaches negatives
Glaubensbekenntnis
(Uta Ranke Heinemann)
„Jesus wollte diese Kirche nicht“
Spiegel-Interview mit Eugen Drewermann
Die Didache – urchristliche
Kirchenordnung
(Stand
05.2021)
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